Geschichte der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde in Schonungen
Die Reformation ist auch an Schonungen nicht spurlos vorüber gegangen. Obwohl das Patronat beim Stift Haug in Würzburg lag, besetzten die Henneberger als Landesherren über das Amt Mainberg stillschweigend die Pfarrstelle in Schonungen immer wieder mit evangelischen Geistlichen. Ab 1574 allerdings setzte in der Gegenreformation die Re-Katholisierung unter Fürstbischof Julius Echter ein. Daran änderte auch der Einmarsch der Schweden im Dreißigjährigen Krieg 1631 nichts.
300 Jahre nach der Vertreibung des letzten evangelischen Pfarrers gründete Gustav Grobe (1869-1949) den Evangelischen Verein (1909 – 1954) in Schonungen. Ökumenisches Unikum: Grobe, Enkel des Getreide-Großmüllers Wilhelm Grobe, wurde vom katholischen Pfarrer in evangelischer Religionslehre unterrichtet. Die 33 Gründungsmitglieder formulierten in §3 der Satzung sehr klar: "Zweck des Vereins ist die Beschaffung der Mittel zur Erhaltung der bereits eingerichteten evangelischen Sammelgottesdienste, besonders auch zum Erwerb eines würdigen gottesdienstlichen Lokals (Betsaal oder kleine Kirche)". Evangelischer Gottesdienst fand damals noch in verschiedenen Wirtshäusern wie im ’Felsenkeller’ und zuletzt im Mainberger Betsaal statt. Inzwischen hatte die Familie Sachs das Patronat der kleinen Gemeinde übernommen. In die Zeit von 1925-1927, Vikar Otto aus Schweinfurt versorgte die Gemeinde, fiel die Stiftung eines Grundstückes am Schonunger Kreuzberg durch den Vereinskassier Klopf. Eine weitere Stiftung durch Frau Geheimrat Sachs und der Zukauf zweier Grundstücke schufen die Voraussetzung für den Kirchenbau.
Bedingt durch den Flüchtlingszuzug nach dem II. Weltkrieg wuchs die Kirchengemeinde von ungefähr 400 auf 1000 Mitglieder an. Die Landeskirche erhob daraufhin Schonungen 1953 zur selbstständigen Kirchengemeinde. 1950 trat Vikar Hans-Martin Nägelsbach seinen Dienst als erster Pfarrer auf der neuen Pfarrstelle an. Ihm folgten Pfarrer Kästner (1960-1966), Pfarrer Böhme (1966-1977), Pfarrer Lehner (1978-1994), Pfarrer Helbig (1994-1998), das Pfarrer-Ehepaar Vocke (1998-2010), Pfarrer Dr. Döbert (2012-2016) und Pfarrer Andreas Duft (seit 2017).
„900 Menschen ohne Kirche“ – mit diesem Argument konnte schließlich der Neubau der Kirche in Angriff genommen werden: Kostenpunkt 100.000 DM (ohne Ausstattung). Unter tatkräftiger Mithilfe der Gemeinde, die spendete, was die schmalen Budgets der Nachkriegszeit hergaben und die auf der Baustelle Hand- und Spanndienste leistete, geschah 1951 der erste Spatenstich. 1953 folgte die Grundsteinlegung und am 10. Oktober 1954 die Einweihung. Oberkirchenrat Koch nahm die Weihe vor, Senior Rohrbacher hielt die Festpredigt.
Mit der Anerkennung als eigenständige evangelische Kirchengemeinde 1953 und dem Kirchenbau findet ein Stück Schonunger Kirchengeschichte seinen vorläufigen Abschluss; es begann mit Pfarrer Johann Tucher aus Schmalkalden, von dem wir wissen, dass er 1540 „die Religion verendert, vnndt alß er Lutterisch worden, hat er sich beweybt."
Baugeschichte von Pfarrhaus und Wohngebäuden
Auf dem erweiterten Klopfschen Grundstück wurde 1952 zunächst ein evangelisches Pfarrgemeindehaus gebaut. Die Bezeichnung ist auf die Nutzung zurückzuführen: Im Erdgeschoss die Räume für die Gemeinde, im Obergeschoss das Pfarrbüro und die Wohnung für die Pfarrfamilie. Mit dem Plan, erst ein Pfarrhaus und dann eine Kirche zu bauen, hoffte man, dem Landeskirchenrat, der sich dem Kirchenbau zunächst verschloss, doch noch die notwendige Genehmigung abzuringen. Die Rechnung ging auf. Baubeginn und Grundsteinlegung der Kirche geschahen 1953, die Einweihung 1954.
1981 wurde das etwas höher am Berg liegende Gemeindehaus erbaut.
Zwei parallele Doppelhauszeilen flankieren das Ensemble von Kirche, Pfarr- und Gemeindehaus. Die Wohnhäuser wurden unter der Trägerschaft der Evangelischen Siedlungsgenossenschaft Niederwerrn errichtet und beherbergten zeitweise bis zu zwölf Familien.
Der Kirchenbau
Der schlicht gehaltene Kirchenbau entstand nach den Plänen von Baurat Pfister aus Schweinfurt. Ins Maintal blickend, schmiegen sich Kirche und Pfarrhaus an den Kreuzberg. Der Giebelbau wird an der Ostseite durch den Turm abgeschlossen, dessen Erdgeschoss die Apsis der Kirche bildet.
Über einen Vorraum betritt man den Kirchenraum, der etwa 150 Gläubigen Platz bietet. Die einfachen Bänke aus Fichtenholz sind ein Gewerk der Schreinerei Götzendörfer, welche nur das Material in Rechnung stellte. Der Blick fällt sofort auf die Apsis mit dem Altar. Sie wird von einem österlichen Kreuz geschmückt. Wie der Altartisch und der Aufgang, so wurden auch die Kanzel und der Taufstein aus fränkischem Blaubank-Muschelkalk geschaffen. Beide stehen sinnbildlich auf dem - liegenden - Kreuz Christi. Die ovoide Form des Taufsteins verheißt in österlicher Tradition den Beginn neuen Lebens. Die Taufschale im Stein ist ein Werk des Schweinfurter Kupferschmieds C. Stieglitz. Gravurmeister Wölfel, Firma Kugelfischer, schnitt die Inschrift. Die Wand hinter dem Taufbecken schmückt ein großformatiges Ölbild aus dem ehemaligen Betsaal in Mainberg. Der unbekannte Künstler zeigt in klassizistischem Stil die Frauen unter dem Kreuz: Maria, Maria-Magdalena und im Hintergrund Johannes. Den Ambo und das Altarkreuz hat Gemeindeglied und „Herrgottsschnitzer“ Gotthelf Bubeck gefertigt.
Die Schmiedearbeiten, Liedanzeige (1959), Altar-Kerzenständer und Wandleuchter (1960), stammen aus der Werkstatt von Karl Pfundt, der auch das Amt des Kirchendieners bekleidete. Die Kanzelbrüstung, ebenfalls eine Arbeit Pfundts, wird von den Symbolen der vier Evangelisten geschmückt. Ein Mensch versinnbildlicht Matthäus, der Löwe Markus, der Stier Lukas und der Adler Johannes.
1957 konnte die von der Firma Hindelang/Allgäu als Hausinstrument hergestellte Orgel, Baujahr 1936, von Dr. Kroth, Mitarbeiter der Firma Fichtel und Sachs in Schweinfurt, erworben und auf der Empore installiert werden. 2019 wurde sie mit großem Aufwand saniert. Dabei erhielt das elektropneumatische Instrument mit einer sogenannten Organola eine digitale Schnittstelle, die es erlaubt, Orgelstücke, welche von einem Organisten/einer Organistin eingespielt wurden, beliebig oft über die Orgel wiederzugeben. So kann das Instrument die Gemeinde, auch wenn einmal kein Musiker/keine Musikerin zur Verfügung steht, mit seinem klaren, vollen Klang erfreuen – soli deo gloria.
Beim Verlassen des Kirchenraumes fällt der Blick auf die Gedenktafel ’Erinnerung für die Zukunft’. Der Vasbühler Künstler Julian Walter schuf sie im Jahre 2009. Sie trägt die Namen der Pfarrer und der Pfarrerin, die in der Christuskirche ihren Dienst versahen.
Ihren steilen Turmspitz erhielt die Kirche erst im Jahre 1958. Bis dahin trug sie ein flacheres Notdach. Petrushahn und Weltkugel sind ein Geschenk der ehemaligen Muttergemeinde St. Johannis in Schweinfurt. Seit dem Jahr 2001 tragen die Dächer von Kirche und Gemeindehaus Photovoltaik-Anlagen – Nutzbringer und Zeichen für den verantwortungsbewussten Umgang mit Natur und Schöpfung. In den Schallfenstern bieten Nistkästen dem Turmfalken Brutgelegenheit, die Jahr für Jahr regen Zuspruch findet. Die drei Glocken des Geläuts – Sakramentsglocke, Bet- und Sterbeglocke – sind mit der Tonfolge f’-as’-c’’ auf die Glocken der katholischen St. Georgskirche abgestimmt. Sie wurden 1957 in der Gießerei Schilling, Heidelberg, gegossen und im gleichen Jahr eingebaut.
Täglich um 20.00 Uhr ruft die Betglocke zum Abendgebet und erinnert auch an die zielstrebige Beharrlichkeit, mit der die evangelischen Gläubigen in Schonungen den Traum von ihrer „kleinen Kirche“ haben wahr werden lassen.
(Quelle: Nägelsbach, Hans-Martin: Pfarrbeschreibung der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde und Pfarrei Schonungen, Schonungen 1960, unveröffentlicht; Text und Fotos: Peter Lindacher)
01/2025